Seit 20.02.2025 ist die Neufassung der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) in Kraft. Sie regelt die Pflichten für Betreiber von Physiopraxen und anderen Gesundheitseinrichtungen, die bei ihrer Arbeit Trainingsgeräte und andere Medizinprodukte einsetzen. Das Ziel: die Sicherheit von Patienten und Therapeuten. Jan Schneider, Chief Technology Officer der PHYSIOMED GROUP, erklärt, was Sie als Praxisinhaber jetzt wissen und umsetzen müssen. Neu im Fokus ist vor allem die Software.

1. Herr Schneider, die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) war ja erst 2016 und 2021 nach EU-Vorgaben geändert worden. Warum ist jetzt eine weitere Neufassung notwendig geworden?
Die Neufassung war notwendig, um die zwischenzeitlich veränderte rechtliche Situation und die zunehmende Digitalisierung im Gesundheitswesen abzubilden. Insbesondere waren in der deutschen Verordnung die Vorgaben der europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR) noch nicht ausreichend berücksichtigt.
2. In welchen Bereichen gab es wesentliche Änderungen im Vergleich zur vorherigen Verordnung?
Die bedeutendsten Neuregelungen sind aus meiner Sicht zum einen die neuen Anforderungen für die Einweisung und Instandhaltung von Software und die Prüfung von „Hochrisiko“-Software (Klasse IIb und III). Zum anderen ist die Erweiterung des Geltungsbereiches um die „Anhang XVI-Produkte“ der MDR (Medizinprodukteverordnung) zu nennen. Da geht es zum Beispiel um Geräte zur kosmetischen Haar- oder Tattooentfernung – für Physiotherapeuten also weniger relevant. Für beide Aspekte endete die Übergangsfrist am 01.08.2025. Interessant sind auch die Änderungen zu den Automatischen Externen Defibrillatoren (AED), unter anderem eine Fernüberwachungspflicht für neue Geräte ab dem 01.01.2027. Außerdem wurde die Aufbereitung und Weiterverwendung von Einmalprodukten geregelt.
3. Welche konkreten Schritte sollten Physiopraxen und Rehazentren jetzt unternehmen, um bei der Nutzung von Medizinprodukten am Patienten auf der sicheren Seite zu sein?
Wichtig ist es vor allem, bedacht und strukturiert an die aktualisierten Anforderungen heranzugehen. Ich empfehle, zunächst die Inventarlisten oder Bestandsverzeichnisse der Medizinprodukte zu aktualisieren – mit besonderem Augenmerk auf die „Anhang XVI-Produkte“ und eigenständige Software-Medizinprodukte (in Geräte integrierte Software ist auch bisher schon mit den Geräten abgedeckt). Wichtig ist hierbei die Klassifizierung. Ausgehend davon kann dann ein Maßnahmenplan abgeleitet werden, sollten tatsächlich Medizinprodukte von den Neuerungen betroffen sein. Das kann zu Vereinfachungen bei einigen Produkten hinsichtlich der sicherheitstechnischen Kontrolle (STK) und der messtechnischen Kontrolle (MTK) führen, aber natürlich auch zu neuen Aufgaben bei eingesetzter Software als Medizinprodukt. Falls hier Software der Klassen IIb und III identifiziert wird, gilt es hier besonderes Augenmerk auf die neuen Pflichten zu legen. Kleine und mittlere Physiopraxen wird dies aber kaum betreffen; solche Produkte nutzen eher große Rehazentren.
4. Was müssen Physiopraxen künftig bei der Instandhaltung von Medizinprodukten beachten?
Die Verfahren zur Instandhaltung haben sich nicht grundsätzlich geändert. Wichtig ist es, die Intervalle und die Pflicht zu MTK und STK zu hinterfragen und ggf. zu aktualisieren. Die Praxen sollten aber unbedingt auch die produktbezogenen Anforderungen der Medizinprodukte-Hersteller berücksichtigen. Außerdem ist Software nun genauso im Rahmen der Instandhaltung zu betrachten wie physische Geräte. Und falls eine Physiopraxis Medizinprodukte an die Patienten abgibt, muss sie sicherstellen, dass die Patienten hinsichtlich der gesetzlichen Ansprüche an Instandhaltung und deren Fristen informiert werden.
5. Welche besonderen Herausforderungen ergeben sich für kleinere Physiotherapiepraxen?
Ich wage zu behaupten, dass sich für viele kleinere Physiotherapiepraxen gar nicht so viel ändert, sofern diese keine „Hochrisiko“-Software einsetzen. Die Berücksichtigung der Niedrig-Risiko-Software in die Einweisungs- und Instandhaltungsroutinen erscheint mir handhabbar, verlangt aber natürlich nach personellen Ressourcen und führt zu Kosten. Sollte „Hochrisiko“-Software eingesetzt werden, sieht das natürlich etwas anders aus. Der Dokumentationsaufwand erhöht sich und die durchzuführenden IT-Sicherheitsprüfungen sind herausfordernd.
6. Wurden die Dokumentationspflichten in der Neufassung der MPBetreibV ausgeweitet?
Es gibt im Wesentlichen keine neuen Dokumentationspflichten, sondern die bestehenden Regelungen wurden nur präzisiert. Klarer ist jetzt beispielsweise, dass die Einweisungen für Software und deren Updates ebenfalls dokumentiert werden müssen. Für die Betreiber, die die IT-Sicherheitsprüfungen durchführen müssen, kommen hier natürlich neue Dokumentationspflichten dazu. Ziel war es sicherlich, die Nachvollziehbarkeit und Transparenz der durchgeführten Aktivitäten zu erhöhen, um am Ende die Patientensicherheit zu verbessern. Eine saubere Dokumentation hilft den Betreibern im Streitfall nachzuweisen, dass sie ihre Pflichten erfüllt haben.
7. Welche Änderungen gibt es bei den Vorgaben zur Schulung des Personals?
Deutlich herauszustellen sind hier die neu und transparent dargestellten Pflichten hinsichtlich der Einweisung des Personals bei Software und der Wiedereinweisung nach Updates. Da die MDR-Anhang-XVI-Produkte nun auch in den Geltungsbereich der Verordnung fallen, sind hier selbstverständlich auch entsprechende Schulungen durchzuführen und Nachweise vorzuhalten. Personal, welches in die IT-Sicherheitsprüfungen involviert ist, muss dahingehend ausreichend qualifiziert sein. All dies kann in die bestehende Schulungsroutine aufgenommen werden und sollte zu keinen unlösbaren Problemen führen.
8. Die zunehmende Digitalisierung war ja ein Hauptgrund, um die MPBetreibV nochmals anzupassen. Was bedeutet dies für Gesundheitseinrichtungen beim Umgang mit softwaregestützten Geräten und vernetzten Systemen?
Kurz zusammengefasst verlangen die neuen Vorgaben, dass Gesundheitseinrichtungen hierfür deutlich umfangreichere Management-, Sicherheits- und Dokumentationsprozesse implementieren müssen. Insbesondere, wenn diese „Hochrisiko“-Software verwenden. Software als Medizinprodukt wird nun genauso behandelt, wie die „dreidimensionalen“ Medizinprodukte. Tatsächlich werden hier nun die „neuen“ Gefährdungssituationen durch die zunehmende Vernetzung deutlich adressiert. Wie bereits an anderer Stelle gesagt, ist es wichtig, dass die Gesundheitseinrichtung die eingesetzte Software sauber identifiziert, klassifiziert und die entsprechenden Maßnahmen ableitet und strukturiert abarbeitet.
9. Hat die neue Verordnung Auswirkungen auf die Haftung von Physiopraxen bei Zwischenfällen oder Schäden, die durch Medizinprodukte verursacht werden?
Hier möchte ich sehr vorsichtig antworten – ich bin kein Rechtsanwalt: Grundsätzlich denke ich jedoch nicht, dass durch die Novellierung sich an der Haftungssituation deutlich etwas ändert. Im regulatorischen Bereich war und ist es wichtig, die Umsetzung der Pflichten sauber zu dokumentieren. „Nur was ich aufgeschrieben habe, habe ich auch getan“. Positiv könnte man sogar ableiten, dass sich durch die erhöhte Transparenz der Anforderungen, insbesondere für die Softwareprodukte, die Nachweissituation für die Betreiber verbessert, sofern diese ihre Pflichten auch entsprechend wahrnehmen und dokumentieren. Es bleibt weniger Spielraum für Auslegungen.
10. Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Physiopraxen und Medizinprodukteherstellern die Umsetzung der neuen Verordnung erleichtern?
Eine gute Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Betreibern ist und bleibt essenziell für die Sicherheit und Gesundheit der Patientinnen und Patienten. Wenn der Hersteller die notwendigen Informationen transparent und detailliert zur Verfügung stellt, können die Betreiber ihre Pflichten sauber identifizieren und umsetzen. Insbesondere sehe ich hier die Themen Einweisung, STK, MTK und natürlich eindeutige Festlegungen zu den neuen Anforderungen hinsichtlich Softwareprodukten – eine Pflicht, der wir für alle drei Marken der PHYSIOMED GROUP gerne und gut nachkommen. Im Gegenzug können die Hersteller sich darauf verlassen, dass ihre Medizinprodukte durch die Betreiber entsprechend ihren Vorgaben eingesetzt, instandgehalten und überprüft werden. Am Ende wollen ja beide Parteien das Gleiche: ein sicheres Medizinprodukt mit positiver Wirkung.