Long Covid, Teil 2: Mit welchen Verfahren kann Physiotherapie helfen? 

Ob Atem- oder Herz-Kreislauf-Probleme, Schmerzen oder Muskelschwäche, neuropathische oder kognitive Beschwerden: Bei vielen Symptomen von Long Covid oder Post-Vac-Syndrom kann Physiotherapie wertvolle Dienste leisten. Dr. Jördis Frommhold, Leiterin des Instituts für Long Covid in Rostock, erklärt, welche Verfahren sich eignen, damit Patientinnen und Patienten ihren Alltag Schritt für Schritt wieder bewältigen können.

Physiotherapie bei Atemproblemen

Nach einer Corona-Erkrankung neigen viele Menschen mit Fatigue und Belastungsintoleranz zu reduzierter Atmung, selbst wenn es in der Akutphase keine Lungenprobleme gab. „Da viele Long-Covid-Patienten ihre Schonatmung gar nicht wahrnehmen, betrachten wir immer zunächst die Atemmechanik“, erklärt Dr. Frommhold. „Denn bei dauerhafter Schonatmung ist der Leistungsaufbau schwierig, weil der Patient schon bei kleinster Belastung die Atmung reduziert.“ Probleme in der Atemmechanik erkennt man beispielsweise, wenn die Patientin oder der Patient schnell außer Atem ist, die Schultern hochzieht, häufig hustet und sich räuspert oder wenn der Redefluss eingeschränkt ist. Physiotherapeutisch unterstützen kann man hier durch:

  • Atemtherapie/Atemtechniken
  • Reflektorische Atemmassage
  • Manuelle Therapie
  • Osteopathie
  • Yoga mit Fokus auf Atemtechniken
  • Qi Gong zur Entspannung
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Physiotherapie bei Schmerzen, Muskelschwäche und neuropathischen Beschwerden

Long Covid und Post-Vac-Syndrom bringen häufig Gelenk- und Muskelschmerzen sowie neuropathische Beschwerden mit sich. Für Fatigue-Patienten mit starker Belastungsintoleranz empfehlen sich in der Anfangsphase der Physiotherapie vor allem passive Maßnahmen, um die Sauerstoffversorgung der Muskeln zu verbessern und die allgemeine Energie zu steigern:

  • Manuelle Therapie
  • Massagen
  • Neuromuskuläre Elektrostimulation (Elektrotherapie/Reizstromtherapie)
  • Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS-Gerät)
  • Wärme-/Kältetherapie
  • Stangerbäder
  • Zellenbäder

Hat sich der Patient stabilisiert, kann man auch die klassischen Methoden zur Leistungssteigerung in Betracht ziehen. Hierbei gilt es sehr sanft und schonend vorzugehen, um Überlastungen unbedingt zu vermeiden. Das heißt: sehr kleine Schritte, immer begleitet von achtsamem Pacing. Mit höherer Intensität sind diese Trainingsmethoden auch für Patienten ohne Fatigue und Belastungsintoleranz passende Maßnahmen:

  • Krafttraining
  • Ausdauertraining
  • Training für Beweglichkeit und Koordination
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Therapie bei kognitiven Störungen

Auch kognitive Beeinträchtigungen nach einer Coronainfektion sind häufig der Fatigue zuzurechnen, etwa Gedächtnisprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten oder geistige Erschöpfung. Vor allem Geduld ist gefragt, wenn es darum geht, die geistigen Fähigkeiten wieder aufzubauen. Hierbei können folgende Maßnahmen unterstützen:

  • Ergotherapie, am besten gepaart mit Neurofeedback
  • Gedächtnistraining
  • Techniken zur Verbesserung der Aufmerksamkeit und Konzentration
  • Strategien zum Setzen von Prioritäten, Aufteilen von Aufgaben in Teilschritte, Vermeidung von Ablenkungen usw. 
  • Achtsamkeitstraining
  • Yoga, Meditation usw.

Bei kognitiven Störungen ohne Fatigue kann auch Hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) zum Einsatz kommen. Diese sollte bei Belastungsintoleranz aber auf keinen Fall angewendet werden, da die Therapie recht anstrengend ist und wieder zu Abstürzen führen kann.

Quintessenz: Niemals überfordern

Die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Long Covid oder Post-Vac-Syndrom sollte sehr individuell erfolgen und an die spezifischen Bedürfnisse des einzelnen Menschen angepasst werden. Dabei gilt es stets die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Leitlinien im Blick zu behalten, denn die Forschung zu Long Covid schreitet kontinuierlich fort – auch im Bereich Physiotherapie und Physikalische Medizin. An allererster Stelle aber ist es wichtig immer wieder abzufragen, ob die Symptome und Beschwerden mit einer Belastungsintoleranz einhergehen. Ist dies der Fall, darf sich der Patient oder die Patientin auf keinen Fall überfordern. Aufgabe von therapeutischer Seite: Pacing. Pacing. Pacing. So kann die physiotherapeutische Unterstützung in Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten die Genesung und die Rückkehr zu einem aktiven Lebensstil fördern. 

Veröffentlicht am 12.03.2024